Keto: Hype oder Dauer(ver)brenner?

Manchmal kann sich ein vorerst skurril wirkender Trend etablieren, wenn dieser seine Nützlichkeit nachhaltig unter Beweis stellt. Man denke zum Beispiel zurück an das Jahr 1873, in welchem die Jeanshose von Jacob Davis und Levi Strauss erfunden wurde, ein Kleidungsstück, welches sich als ein Evergreen der Textilindustrie etablieren sollte. Auch im Bereich der Diäten und Ernährungsformen gibt es in regelmäßigen Abständen neue Entwicklungen; die allermeisten davon verschwinden nach einigen Jahren in der Obskurität. Ein bizarres Beispiel ist die "Sleeping Beauty"-Diät aus den 70ern, welche die Einnahme von Schlaftabletten vorsah, um so das lästige Hungergefühl übernächtigen zu können. Dass sich diese Diät (zum Glück) nicht etablieren konnte, dürfte wenig überraschend sein. In den letzten Jahren hört man vermehrt von der Keto-Diät, sowohl Fitness-Influencer als auch Blogger preisen sie als die Wunderwaffe gegen überschüssige Kilos an. Handelt es sich bei der Keto-Diät um einen weiteren "Sleeping Beauty"-Fall, oder wird sie das Jeans-Äquivalent der Fitnessindustrie?

Ketogene Ernährung: Was ist das?

Ein überraschender Fakt: Die ketogene Ernährung gibt es bereits seit 1921. Damals wurde sie von einem amerikanischen Arzt namens Russel Wilder geprägt, um die Häufigkeit epileptischer Anfälle bei gefährdeten Menschen zu reduzieren - mit Erfolg. Die Patienten wurden durch einen langfristigen Verzicht auf Kohlenhydrate in den Zustand der Ketose versetzt, was namensgebend für diese Art der Ernährung ist. Wilders Idee basierte auf der Erkenntnis, dass Epilepsieerkankte eine Verbesserung ihrer Symptomatik verzeichnen, wenn diese über einen längeren Zeitraum fasten, um dadurch in die Ketose zu kommen. Da dauerhaftes Fasten jedoch nicht möglich ist, schlug Wilder die ketogene Ernährung vor, welche es den Patienten ermöglichte, langfristig in der Ketose zu bleiben.

In den 90er Jahren wurde der bewusste Verzicht auf Kohlenhydrate als Werkzeug für den Verlust überschüssigen Körpergewichts zunehmend populärer, seitdem ist die Anzahl an Menschen, die die ketogene Ernährung aus diesem Grund praktizieren, stetig gestiegen.

Ketogene Diät: Was passiert im Körper?

Der Begriff Ketose wird in vielen Fitnessblogs gerne verwendet, doch eine genauere Erklärung bleibt häufig aus. Dass die Ketose zusätzlich noch des Öfteren mit einem schädlichen metabolischen Zustand von Diabetikern, der Ketoazidose, verwechselt wird, sorgt für weitere Verunsicherung bei potenziell Interessierten. Dabei waren unsere Vorfahren, die zu Jäger- und Sammlerzeiten gelebt haben, relativ häufig in der Ketose.

Effektiv wechselt der Körper bei der Ketose den Treibstoff, auf dem er läuft. Statt Kohlenhydrate werden in der Ketose sogenannte Ketone verstoffwechselt, um den Energiebedarf für alle Körperfunktionen zu decken. Ketone entstehen durch die Verstoffwechselung von Fettsäuren in der Leber; dabei werden drei verschiedene Arten von Ketonkörpern produziert:

• Acetessigsäure

• 3-Hydroxybuttersäure

• Aceton

Dieser Prozess wird auch als Ketogenese bezeichnet. Ketonkörper können als eine Art Energietransporter betrachtet werden, welche von der Leber aus über den Blutstrom zu den jeweiligen Zellen gelangen, um dort zu Acetyl-CoA umgewandelt zu werden. Acetyl-CoA wird im Rahmen des Citratzyklus unter anderem zu der Energiewährung des Körpers umgewandelt, das sogenannte Adenosintriphosphat oder kurz ATP. Auch Kohlenhydrate werden zu Acetyl-CoA verstoffwechselt, jedoch ist der Weg dahin ein ganz anderer; dieser Prozess wird als Glykolyse bezeichnet. Wenn Kohlenhydrate zum Verstoffwechseln im Körper vorhanden sind, werden diese immer zuerst im Rahmen der Glykolyse verwendet, sprich bei regelmäßiger Zufuhr kohlenhydratreicher Nahrung wird der Zustand der Ketose nie erreicht.

Keto-Diät: Was darf ich essen?

Vielleicht stellst du dir jetzt die Frage, welches Essen während einer Keto-Diät erlaubt ist, wenn die Aufnahme von größeren Mengen an Kohlenhydraten die Ketose direkt unterbricht. Vor diesem Hintergrund ist es erst einmal geboten, dass die durch die Nahrung aufgenommene Kohlenhydrate auf ein Minimum reduziert werden. Als recht konservativen Richtwert solltest du eine Grenze von 30 Gramm Kohlenhydrate pro Tag nicht überschreiten, einige können auch mit 50 Gramm pro Tag nachhaltig in der Ketose bleiben. Diesen Wert hast du bereits mit 100 Gramm Nudeln erreicht - ohne Soße. Also gilt: Auch wenn der Verzehr von Schokolade und Nudeln in geringfügigen Mengen einen nicht zwangsweise aus der Ketose befördern muss; der damit verbundene stark limitierte Verzehr macht kohlenhydratreiche Lebensmittel extrem unattraktiv.

Im Rahmen einer ketogenen Ernährung sind insbesondere Mahlzeiten interessant, die einen hohen Fett- und Eiweißgehalt aufweisen. Grundsätzlich wird zwischen drei Makronährstoffen unterschieden:

• Kohlenhydrate

• Fett

• Eiweiß

Bei einer regulären Keto-Diät sind nur etwa 5 % der aufgenommenen Makronährstoffe Kohlenhydrate, etwa 70 % sind Fett und 25 % Eiweiß. Bei intensivem Muskelaufbautraining ist ein leicht höherer Anteil an Eiweiß möglich, jedoch sollte dabei beachtet werden, dass die Energieversorgung in der Keto durch Fett sichergestellt wird und eine rein eiweißbasierte Ernährung nicht möglich ist.

Lebensmittel wie fettiger Fisch und fettigeres Fleisch, Eier und Käse, aber auch einige Sorten an Gemüse können eine abwechslungsreiche und gesunde Keto-Diät gestalten. Obst fällt wegen dem enthaltenen Fruchtzucker entweder gänzlich weg, oder sollte nur in sehr begrenzten Mengen verzehrt werden. Bei dem Verlangen nach etwas Süßem können Süßungsmittel wie Erythrit oder Stevia Abhilfe schaffen, da diese zu vielfältigen kohlenhydratreduzierten Süßigkeiten verarbeitet werden können, zum Beispiel ist ein Quark mit Erythrit schnell zubereitet und hat nur etwa 3 Gramm Kohlenhydrate auf 100 Gramm Verzehrmenge.

Für diverse Gerichte gibt es außerdem keto-freundliche Alternativen, beispielweise können die bereits erwähnten Nudeln durch kohlenhydratfreie Shirataki-Nudeln oder durch geschnittene Zucchini (auch "Zoodles" genannt) ersetzt werden. Es bietet sich immer an, bei der Zubereitung seiner ketogenen Mahlzeiten kreativ zu werden und diverse kohlenhydratarme Zutaten auszutesten, immerhin gibt es auch viele unterschiedliche Geschmäcker und die Keto-Diät wird zum Kinderspiel, wenn du einige Gerichte zubereiten kannst, die deinen Geschmacksknospen zusagen. Achte außerdem darauf, genug Elektroyte zu dir zu nehmen, da du in deinen Muskeln gespeichertes Wasser verlieren wirst, sobald du in der Ketose bist und so ein Mangel an Elektrolyte droht. Mahlzeiten sollten moderat gesalzen werden und beispielweise Sonnenblumenkerne sind eine gute Quelle für Kalium, auch Elektrolytepulver ist eine valide Option.

Keto-Diät: Wie nehme ich ab?

Grundsätzlich gilt: Während der Keto-Diät musst du nicht hungern. Insbesondere wenn du deinem Körper ein wenig Zeit gibst, wird sich bei den fetthaltigen Mahlzeiten, die du in der Keto-Diät verzehrst, ein zufriedenstellendes Sättigungsgefühl einstellen. Außerdem wirst du insgesamt nicht mit der gewohnten Häufigkeit Appetit verspüren, da dein Insulinspiegel keine starken Spitzen zu den Mahlzeiten mehr aufweist, wodurch langfristig Ghrelin, welches auch als das Hungerhormon bekannt ist, runterreguliert wird. Auch bei der Keto-Diät gilt jedoch, dass du nur abnehmen kannst, wenn ein Kaloriendefizit vorliegt. Daher solltest du im Auge behalten, wie viele Kalorien du insgesamt pro Tag zu dir nimmst. Auch wenn Fett mit 9 Kalorien pro Gramm mehr als doppelt so viel Energie hat wie Kohlenhydrate, welche lediglich 4 Kalorien pro Gramm aufweisen, werden die bereits genannten appetitverringerenden Effekte und die starke Sättigungswirkung von Fett die hohe Energiedichte kompensieren. Du solltest jedoch nicht zu radikal im Kaloriendefizit sein, da sonst langfristig ungesunde Mangelerscheinungen auftreten könnten und das Risiko für Fressattacken stark erhöht wird. Aus diesem Grund sollte dein Defizit die 500 kcal pro Tag nicht überschreiten.

Kleiner Tipp: Um die besten Ergebnisse zu erzielen, merke dir, dass Ernährung und Fitness immer Hand in Hand gehen. Eine gute Ernährung in Verbindung mit ausreichender Bewegung bringt stets die besten Resultate und sorgt für eine ausgewogene Gesundheit.

Keto-Diät: Wie lange durchführen?

Bevor du mit der Keto-Diät anfängst, solltest du deinen Hausarzt konsultieren und abklären, ob diese Ernährungsform bei dir sinnvoll ist und wie lange die Keto durchgeführt werden sollte. Zusätzlich können Blutwerte genommen werden, um nach auffälligen Werten zu schauen und um diese später nach einigen Monaten in der Ketose mit einem erneuten Blutbild zu vergleichen. Außerdem könnte es sinnvoll sein, einen Ernährungsberater in deiner Nähe zu kontaktieren und dich bezüglich der ketogenen Ernährung genauer beraten zu lassen.

Viele Verfechter der ketogenen Diät sind seit Jahren in der Ketose, eine zeitliche Beschränkung gibt es also theoretisch nicht. Wenn dir dieser Ernährungsstil also gefällt und es dir so einfacher fällt dein Wunschgewicht zu halten, kannst du ihn weitestgehend permanent beibehalten. Doch es ist auch eine gewisse Vorsicht geboten: In einigen Aspekten sind die Auswirkungen einer langfristigen Ketose auf den menschlichen Körper noch nicht abschließend geklärt, gelegentliche Arztbesuche und Blutbilder sind also eine gute Idee. Manche Ketarier halten sich auch an ein ketozyklisches Modell, was bedeutet, dass sie in regelmäßigen Intervallen vermehrt Kohlenhydrate essen, um dann wieder in die Ketose zu gehen.

Keto-Diät: Was du beachten solltest

Sollte die ketogene Ernährung für dich nur ein Werkzeug sein, um dein Wunschgewicht zu erreichen, musst du unbedingt darauf achten, dass du bei der Wiedereinführung von Kohlenhydraten nicht in einen Kalorienüberschuss kommst. Der berüchtigte "Yoyo-Effekt"basiert darauf, dass Menschen nach einer erfolgreichen Diät, welche sie als eine Zeit der Tortur wahrgenommen haben, in alte Gewohnheiten zurückfallen. Daher sollte selbst der Begriff "Diät" mit Vorsicht genossen werden, denn mit diesem Begriff schwingt immer ein Gefühl der Entbehrung und zeitlichen Begrenztheit mit; das Wunschgewicht kann nicht schnell genug erreicht werden, denn dann kann die Diät endlich beendet werden um wieder genau wie vor der Diät zu essen. Damit dir diese Fehler nicht unterläuft, solltest du von dem Diätgedanken ablassen und das Unterfangen Gewicht zu verlieren als eine permanente Umstellung deiner Essgewohnheiten betrachten - ob nun mit der Keto oder nicht. Nur mit diesem Mindset besteht die Chance, dein Wunschgewicht auch langfristig halten zu können.

Wir wünschen dir viel Erfolg und hoffen, dass wir dir einige interessante und hilfreiche Einblicke in die Keto-Diät geben konnten.

Dein Listando Team